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Geschäftsführerhaftung: Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen - BFH-Beschluss vom 15. November 2022, VII R 23/19

Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.
(Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 30. April 2019, Az: 12 K 620/15)

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30.04.2019 - 12 K 620/15 wird vom BFH VII. Senat als unbegründet zurückgewiesen.

Details dazu sind hier zu finden: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310065/



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Steuern / Unternehmensnachfolge aus steuerlicher Sicht
« Letzter Beitrag von Leasingforum-Administrator am 25. November 2022, 13:28:29 »
Unternehmensnachfolge aus steuerlicher Sicht - Ein komplexer Vorgang mit hoher Beratungsintensität

Wer als Inhaber oder Gesellschafter eines Unternehmens überlegt, sein Unternehmen oder seine Beteiligung daran in andere Hände zu legen, ist mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert: Soll die Nachfolge extern oder familienintern erfolgen, durch Verkauf oder unentgeltlich, zu Lebzeiten oder erst testamentarisch? Die Unternehmensnachfolge ist ein komplexer Vorgang, der viel Fachwissen aus unterschiedlichen Disziplinen erfordert. Sind aus rechtlicher und kaufmännischer Sicht die Antworten zum Wie und Wann der Nachfolge skizziert, muss diese Skizze aber auch in den Rahmen des Steuerrechts passen. Dabei ist der steuerliche Berater nicht weniger gefordert als bei anderen komplexen Unternehmenstransaktionen, aber es gilt die ganze Bandbreite des Steuerrechts auf Gefahren und Gestaltungspotentiale hin zu prüfen. Die Beratung beschränkt sich keinesfalls auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer.

Erbschaft- und Schenkungsteuer
Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ermöglicht eine Steuerbefreiung von 85% oder gar 100%. Diese Begünstigung ist aber an viele Voraussetzungen geknüpft, und die Prüfung erfordert jeweils einen tiefen und genauen Blick in die rechtlichen und kaufmännischen Verhältnisse des Unternehmens.

Der Betrieb muss mindestens fünf oder sieben Jahre fortgeführt werden. Nicht produktives, sogenanntes Verwaltungsvermögen darf nicht mehr als 90% beziehungsweise 20% des steuerlichen Unternehmenswerts betragen. Die Begünstigung greift nur bis zu einem Unternehmenswert von 26 Millionen Euro. Hier kommt es auf die steuerliche Bewertung und eine genaue Betrachtung der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens an.

Die Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist nur begünstigungsfähig, wenn der Schenker oder Erblasser mehr als 25% an der Kapitalgesellschaft hält. Liegt die Beteiligungsquote darunter, kann ein Poolvertrag mit weiteren Gesellschaftern, der eine einheitliche Stimmrechtsausübung und Verfügungsbeschränkung vorsieht, ausreichen, um mit dem Pool die 25%-Grenze zu überschreiten.

Neben der Behaltensfrist sind weitere Voraussetzungen zu beachten: So ist eine Lohnsummenkontrolle durchzuführen, und wesentliche Betriebsgrundlagen dürfen nicht veräußert werden. Auch nach erfolgter Übertragung des Unternehmens sind Überwachungsmechanismen während der Behaltenszeit einzuhalten. Andernfalls entfallen die steuerlichen Vergünstigungen nachträglich.

Ertragsteuern: Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer
Führt der Unternehmer das Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft, treten Einkommen- und gewerbesteuerliche Besonderheiten hinzu. Das Steuerrecht zählt zum steuerlichen Betrieb nämlich auch dasjenige Vermögen, das nicht der Personengesellschaft, sondern dem Gesellschafter gehört, aber betrieblich genutzt wird. Paradebeispiel dafür ist die an den Betrieb vermietete Immobilie im Eigentum des Gesellschafters. Dieses „Sonderbetriebsvermögen“ kann zum steuerlichen Verhängnis werden, wenn nicht alles (Anteil an der Personengesellschaft sowie SBV) zusammen übertragen wird. In diesem Fall kommt es nämlich zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven. Auch wenn eine Unternehmensnachfolge vor allem geplant wird, um die erbschaftsteuerlichen Begünstigungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, müssen Unternehmer und Berater auch stets die ertragsteuerliche Situation genau prüfen und insbesondere Sonderbetriebsvermögen oder Betriebsaufspaltungen frühzeitig identifizieren.

Denn auch hier kann sich dasselbe Risiko im Rahmen einer Betriebsaufspaltung realisieren: Nämlich dann, wenn Betrieb und eine wesentliche Betriebsgrundlage, wie zum Beispiel eine Immobilie, in zwei getrennten Gesellschaften gehalten werden und nur die Betriebs-, Besitzgesellschaft oder Immobilie veräußert wird.

A propos Grundstücke: Grunderwerbsteuer
Nicht außer Acht lassen dürfen Unternehmer und Berater die Grunderwerbsteuer, soweit Immobilien unmittelbar oder mittelbar zusammen mit Gesellschaftsbeteiligungen übertragen werden. Zwar fällt bei der schenkweisen Übertragung von Immobilien grundsätzlich keine Grunderwerbsteuer an, weil die Normen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes vorrangig sind. Das gilt selbst, wenn die Übertragung des Betriebs zu 100% schenkung- beziehungsweise erbschaftsteuerfrei ist. Allerdings ist nicht jede unentgeltliche Übertragung grunderwerbsteuerlich privilegiert. Auflagen im Rahmen einer Schenkung sind mit dem Wert der Auflage grunderwerbsteuerpflichtig. Eine Auflage kommt in Betracht, wenn der Übergeber den Erwerber mit der Übertragung des Unternehmens verpflichtet, eine Immobilie an ein Geschwister zu übertragen.

Nicht zu vergessen: Umsatzsteuer
Bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften ist es für den Unternehmer oft ein Anliegen, vermögensmäßig im Unternehmen „aufzuräumen“ und beispielsweise bestimmte Wirtschaftsgüter aus dem Unternehmen zu entnehmen, damit er sie auf andere Kinder übertragen kann, die nicht die Nachfolge im Unternehmen antreten. Eine solche Entnahme kann als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterliegen und stellt damit eine oft übersehene Steuerfalle im Rahmen der Unternehmensnachfolge dar.

Steuern bei der Übergabe gegen Versorgungsleistung
Der Unternehmer muss bei einer lebzeitigen Nachfolgeregelung unbedingt kalkulieren, ob ihm auch ohne das Unternehmen zukünftig bis an sein Lebensende genügend Liquidität zur Verfügung steht, um seinen Lebensunterhalt und eventuell auch die Kosten der Pflege zu bestreiten.

Steht ohne das Unternehmen nicht genügend Liquidität zur Verfügung, kann die Nachfolge familienintern – oder auch extern – als Übergabe gegen Versorgungsleistung gestaltet sein. Dabei überträgt der Unternehmer das Unternehmen gegen eine monatliche lebenslange Unterhaltszahlung. Der Vorteil liegt darin, dass der Nachfolger das Unternehmen nicht kaufen und den vollen Kaufpreis finanzieren muss. Beim steuerlichen Feintuning ist darauf zu achten, dass der Nachfolger die Versorgungsleistung steuerlich als Sonderausgaben absetzen kann. Hier kommt es vor allem darauf an, dass nur betriebliches Vermögen übertragen wird und die Zahlungen aus den laufenden Nettoerträgen des Betriebs geleistet werden können. Auch hier kommt es auf eine genaue und vertiefte Betrachtung des Unternehmens an, um eine steuerliche Beurteilung abgeben zu können.

Vorsicht bei internationalen Sachverhalten
Da viele Unternehmerfamilien international aufgestellt sind, sei auch der Hinweis auf die Wegzugsbesteuerung erlaubt. Diese greift für natürliche Personen, die mindestens zehn Jahre lang in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren und mindestens 1% an Kapitalgesellschaften halten. Wird die unbeschränkte Steuerpflicht durch den Umzug beendet, wird eine Veräußerung der Anteile fingiert und es kommt zu einer Versteuerung der stillen Reserven. Aus diesem Grund sollte der Senior erst nach vollzogener Schenkung seinen Lebensalltag ins Ausland verlagern, und der Junior sollte vorab prüfen, ob und wann er ins Ausland ziehen kann.

Fazit: Unternehmensnachfolge erfordert Beratung aus einer Hand
Eine gelungene Nachfolge in ein aktives Unternehmen erfordert eine steuerliche Planung in nahezu allen Steuerarten. Die obengenannten Beispiele decken den Prüfungsumfang nicht einmal vollständig ab. Dabei müssen steuerlich motivierte Maßnahmen Rücksicht nehmen auf rechtliche und kaufmännische Vorgaben. Eine enge Abstimmung der beteiligten Berater aller Disziplinen (Steuerrecht, aber auch Zivilrecht) ist erforderlich. Besonderes Augenmerk ist auf die Harmonisierung des Testaments mit dem Gesellschaftsvertrag zu legen, denn es gilt der Grundsatz, dass die gesellschaftsvertraglichen Reglungen dem Erbrecht vorgehen. Auch sind die Abfindungsregeln im Gesellschaftsvertrag zu prüfen. Denn zu hohe Abfindungen können so manchem Unternehmen das finanzielle Genick brechen. Aufgrund der Vielzahl der zu beachtenden Themen erfolgt die Unternehmensnachfolgeplanung am besten aus einer Hand und in einem Guss.

Quelle: Anwaltsspiegel, 26. Oktober 2022, von Gerhard Schmitt, René Udwari und Françoise Dammertz



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Im Rahmen der Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie hat der Gesetzgeber im neuen § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für Gesellschaften ohne entsprechende Satzungsregelungen vorgesehen, dass eine Gesellschafterversammlung "auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation" – also virtuell – abgehalten werden kann, wenn alle Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.

Virtuelle Gesellschafterversammlungen - zunehmender Digitalisierungstrend schafft Bedürfnis nach gesetzlicher Regelung


Unser Alltag ist geprägt von Digitalisierung. Die Corona-Pandemie hat den Digitalisierungstrend schlagartig verstärkt. Bedingt durch die Reduzierung der persönlichen Kontakte auf ein Minimum ist das Bedürfnis nach digitalen und elektronischen Kontaktformaten jeglicher Art rasant gestiegen. Mittlerweile sind Telefon- und Videokonferenzen, virtuelle (informelle) Zusammenkünfte und andere digitale und elektronische Kommunikationsmittel im Arbeitsalltag – auch bei Organen und Gremien – nicht mehr wegzudenken.

Entsprechend besteht nicht nur ein Bedürfnis, sondern häufig auch eine entsprechende Erwartungshaltung, die Vereinfachung und Flexibilität, die die Digitalisierung bietet, im Arbeitsalltag so weit als möglich nutzbar zu machen.

Bislang hat das GmbH-Gesetz keine Möglichkeit für virtuelle Gesellschafterversammlungen mit mündlicher Beschlussfassung vorgesehen. Auch das COVMG hatte für die GmbH, anders als bei der Aktiengesellschaft, keine Sonderregelungen für die virtuelle Gesellschafterversammlungen geschaffen, sondern nur die Hürden für die versammlungslose Beschlussfassung gesenkt. Eine virtuelle Gesellschafterversammlung, in der mündliche Beschlüsse gefasst werden, war lediglich bei entsprechender Satzungsregelung wirksam möglich. Die Praxis hat sich daher mit verschiedenen Hilfskonstruktionen beholfen und beispielsweise informelle virtuelle Zusammenkünfte mit Beschlussfassungen im Umlaufverfahren kombiniert.

Gerade vor diesem Hintergrund ist die Neufassung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und die Entwicklung des Gesetzes in Richtung Digitalisierung begrüßenswert.
Gesetzliche Neuregelung schafft Rechtssicherheit und Flexibilität

Jedenfalls für Gesellschaften, die bislang nicht über entsprechende Satzungsregelungen für virtuelle Gesellschafterversammlungen verfügen, schafft die Neuregelung Transparenz und Rechtssicherheit: eine virtuelle Gesellschafterversammlung mit mündlicher Beschlussfassung ist zulässig, wenn sich alle Gesellschafter mit der virtuellen Durchführung in Textform – insbesondere per E-Mail, per WhatsApp – ausdrücklich einverstanden erklären. Zulässig sind auch Kombinationen zwischen physisch und virtueller Gesellschafterversammlung: mehrere Gesellschafter, die sich physisch an einem Ort befinden, können sich gemeinsam, fernmündlich oder mittels Videokommunikation mit einem oder mehreren Gesellschaftern “treffen”, die sich an anderen Orten befinden.
Ausdifferenzierte Satzungsregelungen empfehlenswert 

Um einen strukturierten Versammlungsverlauf bei virtueller Durchführung zu gewährleisten und Rechtsstreitigkeiten weitestgehend zu vermeiden, sind dennoch ausdifferenzierte Satzungsregelungen dringend anzuraten. Denn das GmbH-Gesetz enthält keine weithergehenden speziellen Regelungen für virtuelle Versammlungen. Sinnvoll sind beispielsweise Regelungen bzgl. der Art und Weise der Durchführung der virtuellen Versammlung, der Beschränkung oder Festlegung der zulässigen Medien (wie etwa Telefon, Video, Kombination aus Präsenz und virtuell, etc.), der Beschlussfassung und -feststellung, der Protokollierung und der Anfechtbarkeit. Auch die Frage, wie mit technischen Schwierigkeiten oder mit Anwenderproblemen umzugehen ist, ist bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen.

Jeder Gesellschafter muss dabei seine immanenten Gesellschafterrechte vollumfänglich ausüben können:  Teilnahme-, Rede-, Frage- und Stimmrecht, sowie der Informationsaustausch, die Führung von Diskussionen und eine gemeinsame Meinungsbildung müssen möglich und sichergestellt sein. Das bildet stets die Grundlage für die Satzungsgestaltung – insbesondere dann, wenn eine virtuelle Versammlung gemäß den Satzungsregelungen auch gegen den Willen einzelner Gesellschafter durchgeführt werden soll. Geregelt werden sollte auch, ob und in welchen Fällen eine Präsenzveranstaltung zwingend ist, etwa dann, wenn sich im Vorfeld erheblicher Diskussionsbedarf und Konfliktpotential abzeichnet, wenn es um Eingriffe in individuelle Rechtspositionen eines Gesellschafters geht (Einziehung von Geschäftsanteilen, Ausschluss als Gesellschafter).
Ausblick

Der Gesetzgeber hat sich für eine minimalinvasive Lösung entschieden: bei Gesellschaften ohne entsprechende Satzungsregelung kann einem Gesellschafter eine virtuelle Versammlung durch das Einstimmigkeitserfordernis nicht aufgezwungen werden. Der praktische Nutzen dürfte dadurch überschaubar bleiben. Völlig offen bleiben Folgefragen, die insbesondere auch für eine wirksame Satzungsgestaltung im Hinblick auf virtuelle Gesellschafterversammlungen relevant sind: Kann ein Gesellschafter künftig einen Anspruch auf virtuelle Durchführung wegen Unzumutbarkeit einer Präsenzveranstaltung (Anfahrtszeit und Kosten, gesundheitliche Gründe etc.) durchsetzen? Hat ein Gesellschafter im umgekehrten Fall einen Anspruch auf Durchführung einer Präsenzveranstaltung bspw. wegen fehlendem Zugang zu den digitalen Medien? Erfordert eine entsprechende Satzungsänderung eine dreiviertel Mehrheit gemäß § 51 Abs. 2 GmbHG oder doch Einstimmigkeit nach dem Gedanken des § 48 Abs. 1 S. 2 GmbHG?

Es bleibt abzuwarten, wie sich Literatur und Rechtsprechung diesbezüglich positionieren und welche Auswirkungen sich insbesondere für die Vertragsgestaltung ergeben.

Quelle: HAUFE Online News, 11.08.2022, Autoren: RAin Dr. Barbara Maier, RAin Lisa Werle


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Wer schreibt, der bleibt

Das OLG Jena setzte sich in einem am 15.02.2021 ergangenen Urteil mit der Frage auseinander, ab welchem Zeitpunkt eine neue Gesellschafterliste maßgeblich ist, um den Gesellschafterbestand zu bestimmen. Die Entscheidung zeigt nochmals die erhebliche Bedeutung der Gesellschafterliste. Aufgrund der großen praktischen Auswirkungen der damit verbundenen Legitimationswirkung fragen Geschäftsführer und Gesellschafter zugleich nach deren Grenzen und Schranken.
Anlässlich der Entscheidung des OLG Jena soll der nachfolgende Beitrag daher den Umfang der Legitimationswirkung und seine Auswirkungen skizzieren.

Die Gesellschafterliste

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haben die Geschäftsführer unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der Gesellschafter sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden übernommenen Geschäftsanteile sowie die durch den jeweiligen Nennbetrag eines Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital zu entnehmen sind. Die gleiche Verpflichtung trifft nach § 40 Abs. 2 GmbHG auch den Notar, sofern dieser an den obengenannten Veränderungen mitgewirkt hat.
„Maßgeblich für den Eintritt dieser Legitimationswirkung ist grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem die beim Registergericht eingereichte Gesellschafterliste vom Rechtspfleger in das Handelsregister aufgenommen wurde.“ Als „Veränderung“ im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt jede Änderung der dinglichen Gesellschafterstellung, unabhängig davon, auf welcher materiellrechtlichen Grundlage diese erfolgt (Heidinger, in: MüKo GmbHG, 3. Au". 2019, § 40, Rn. 88). Zweck von § 40 GmbHG ist es dabei, Gläubigern mit einer aktuellen Gesellschafterliste ein Mittel zur leichteren Identifzierung der Gesellschafter zu verschaffen und Alt- und Neugesellschafter bei Veränderungen des Gesellschafterbestands zu schützen.

Kommt der Geschäftsführer seiner Einreichungspflicht nicht nach, so haftet er gegenüber denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat, und gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nach § 40 Abs. 3 GmbHG und aus Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 43 GmbHG (Heilmeier, in: BeckOKGmbHG, 49. Ed.,Stand: 01.08.2021, § 40, Rn. 213, 226).
Bei Verletzung der Pflicht durch den mitwirkenden Notar kommt eine Haftung nach § 19 BNotO in Betracht (vgl. Heilmeier, in: BeckOKGmbHG, 49. Ed., Stand: 01.08.2021, § 40, Rn.&223). Daneben haftet auch die Gesellschaft Alt- und Neugesellschaftern gegenüber wegen unrichtiger, unterlassener oder verspäteter Aufnahme der Veränderungen in die Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 3 GmbHG (Heilmeier, in: BeckOKGmbHG, 49. Ed., Stand: 01.08.2021, §&40, Rn. 225).

Die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste

Die Einreichung und Aufnahme der Gesellschafterliste zum Handelsregister hat dabei eine bedeutende Wirkung für das Innenverhältnis der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und wirkt sich auch beim Erwerb von Geschäftsanteilen von Nichtberechtigten aus. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG kommt der Gesellschafterliste namentlich eine sogenannte formelle positive und negative Legitimationswirkung zu. Durch die positive Legitimationswirkung gelten gegenüber der Gesellschaft diejenigen, die in der vom Register aufgenommenen Gesellschafterliste genannt sind, als Gesellschafter. Sie sind damit gegenüber der Gesellschaft berechtigt, sämtliche Gesellschafterrechte geltend zu machen, ohne dass es auf die wahre Berechtigung ankäme (sogenannte relative Gesellschaft!erstellung, vgl. Heidinger, in: MüKo GmbHG, 3. Au". 2018, § 16 Rn. 1). Umgekehrt gilt nach der negativen Legitimationswirkung derjenige, der nicht in der Liste aufgeführt ist, auch nicht als Gesellschafter der Gesellschaft und kann sich ihr gegenüber nicht auf seine Gesellschafterrechte berufen (Servatius, in: Baumbach/Hueck GmbHG, 22. Au". 2019, § 16 Rn. 14; Heckschen, NZG 2019, 097). Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Transparenz von Anteilseignerstrukturen zu fördern sowie Geldwäsche und Terrorismus$nanzierung zu verhindern (BT-Drs. 16/6140, S. 37).
Zusätzlich ist seit der Neufassung des § 16 Abs. 3 GmbHG auch unmittelbar der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen vom Nichtberechtigten möglich. Dabei dient die im Handelsregister eingetragene Gesellschafterliste als Träger des Rechtsscheins für den guten Glauben.

Die Entscheidung des OLG Jena

Maßgeblich für den Eintritt dieser Legitimationswirkung ist grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem die beim Registergericht eingereichte Gesellschafterliste vom Rechtspfleger in das Handelsregister aufgenommen wurde. Ebendies wurde mit dem Beschluss des OLG Jena vom 15.02.2021 nochmals obergerichtlich bestätigt.
Grund des Rechtsstreits war eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Registergerichts. Dieses hatte es abgelehnt, in das Handelsregister einzutragen, dass der (vormalige) Gesellschafter einen Gewinnabführungsvertrag aufgehoben hatte. Der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag datierte auf den 14.12.2020 und war von der bisherigen Gesellschafterin unterzeichnet worden. Ebenfalls am 14.12.2020 hatte der Geschäftsführer jedoch eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister eingereicht, die bereits am 15.12.2020 eingetragen wurde.

Nach Auffassung des Registergerichts war für die Zustimmung zur Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags daher die Zustimmung der neuen Gesellscha!erin erforderlich.
Das OLG entschied diesbezüglich, dass für die Legitimationswirkung der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste zeitlich die Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister entscheide. Diese sei am 15.12.2020 erfolgt, so dass am 14.12.2020 und mithin zum Zeitpunkt der Zustimmung zum Aufhebungsvertrag die ursprüngliche Gesellschafterliste maßgeblich gewesen sei. Dementsprechend sei die Zustimmung der ursprünglichen Alleingesellschafterin maßgeblich gewesen; das Handelsregister hätte die Eintragung – wie beantragt – vornehmen müssen (zum Gesamten: OLG Jena, Beschluss vom 15.02.2021 – 2 W 53/21, NZG 2021, 1025).

Grenzen und Beschränkungen der Legitimationswirkung

Aufgrund der erheblichen Bedeutung für den Rechtsverkehr ab der Eintragung der Gesellschafterliste stellt sich damit jedoch zugleich die Frage, wo diese Legitimationswirkung der Gesellschafterliste ihre Grenze findet, insbesondere, ob gewisse Veränderungstatbestände von der Legitimationswirkung ausgenommen werden sollten oder inwieweit die Legitimationswirkung durch andere gesetzliche Regelungen oder allgemeine Rechtsgrundsätze beschränkt werden muss.
Die Frage, ob gewisse Veränderungstatbestände von der Legitimationswirkung ausgenommen werden sollen,wurde insbesondere hinsichtlich der Einziehung von Geschäftsanteilen diskutiert. Denn hier wird dem Betroffenen – in der Regel gegen seinen Willen – die Gesellschafterstellung entzogen. Aufgrund der Legitimationswirkung verliert er ab Eintragung einer neuen Gesellschafterliste dann die  Möglichkeit, seine Gesellschafterrechte (etwa Einsichts- und Kontrollrechte, aber auch das Stimmrecht!) auszuüben. Vor diesem Hintergrund ist die Überlegung durchaus gerechtfertigt, die Legitimationswirkung einzuschränken.
Hierzu entschied der BGH in einem Urteil vom 20.11.2018 (Az. II ZR 12/17) jedoch, dass die – positive und negative – Legitimationswirkung auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen greift, dass sich der Inhaber eines eingezogenen Geschäftsanteils also gegenüber der Gesellschaft nicht mehr auf seine Gesellschafterrechte berufen kann, sobald die geänderte Gesellschafterliste (in der er nicht mehr Gesellschafter ist) vom Handelsregister eingetragen wurde, selbst dann, wenn die zugrundeliegende Einziehung nach Auffassung des betroffenen Gesellschafters rechtswidrig oder sogar nichtig erfolgt war.
Der BGH begründet diese Entscheidung mit dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG: Dieser ordnet die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste für jegliche Form der Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung an. Bei der Einziehung handelt es sich beim Verlust der Gesellschafterstellung um eine persönliche Veränderung (für den Fall, dass der Betroffene noch weitere Geschäftsanteile besitzt, die nicht eingezogen wurden, um eine Änderung im Umfang der Beteiligung).
Nach Ansicht des BGH ergibt sich etwas anderes auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Aus ihr ließe sich vielmehr entnehmen, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht nur bei einer Veräußerung von  Geschäftsanteilen gelten solle, sondern bei allen Formen des Anteilsübergangs.
Zwar stelle die Einziehung keinen Anteilsübergang dar, daraus folge aber nicht, dass die Veränderung durch Einziehung nicht von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG umfasst sein soll. Stattdessen bestehe auch wirtschaftlich eine Ähnlichkeit zwischen Einziehung und Anteilsübertragung, da in beiden Fällen der zunächst existente Anteil nunmehr nicht dem bisherigen Berechtigten zusteht.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Einziehung den Untergang des betroffenen Geschäftsanteils zur Folge habe und bereits mit der Mitteilung des Beschlusses an den Gesellschafter wirksam werde, wenn er weder nichtig sei noch für nichtig erklärt werde. Eine tatbestandsmäßige Beschränkung des § 16 GmbHG bezüglich der Einziehung wird daher nicht vorgenommen.

Dagegen bejahte der BGH in einer anderen Entscheidung jedoch, dass die Legitimationswirkung durch andere gesetzliche Regelungen oder allgemeine Rechtsgrundsätze beschränkt werden kann. In dem  konkret entschiedenen Fall in dem Urteil vom 02.07.2019 – Az. II ZR 406/17, nahm der BGH eine solche Beschränkung durch das Gebot von Treu und Glauben vor.
Danach kann sich eine GmbH nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf die formelle Legitimationswirkung aus § 16 Abs. 1 Satz GmbHG berufen, wenn sie entgegen einer einstweiligen Verfügung, die es ihr untersagt, nach Einziehung eines Geschäftsanteils eine neue Gesellschafterliste einzureichen, welche den von der Einziehung Betroffenen nicht mehr als Gesellschafter ausweist, dennoch eine veränderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, die dann im Registerordner aufgenommen wird (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, NZG 2019, 979). Denn hier hat die Gesellschaft den Rechtsschein wissentlich entgegen einer gerichtlichen Anordnung gesetzt.
Der BGH stellte mit diesem Urteil klar, dass es eines effektiven Rechtsschutzes bedarf, um den von der Veränderung betroffenen Gesellschafter vor den weitreichenden Folgen der Legitimationswirkung durch die Aufnahme einer neuen Gesellschafterliste zu schützen.
Laut BGH ist dafür der richtige Weg, eine einstweilige Verfügung gegen die Gesellschaft zu erwirken. Dies soll nicht nur für den Fall der Einziehung gelten, sondern auch bei allen anderen Veränderungen [Heckschen, NZG 2019, 1097 (1098)].

Fazit

Die Rechtsprechung hat die umfangreichen Wirkungen des § 16 GmbHG gut ausbalanciert. Aufgrund der grundsätzlich weitreichenden Legitimationswirkung ist zudem klargestellt, dass die einstweilige Verfügung das Mittel der Wahl ist, um das Einreichen einer geänderten Gesellschafterliste zu unterbinden. Auch die Klarstellung des OLG Jena trägt zur Rechtssicherheit bei, indem sie präzise den Zeitpunkt festlegt, in dem die Legitimationswirkung der neuen Gesellschafterliste eintritt. Dadurch wird die Handhabe des Problemkomplexes der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste spürbar  erleichtert.
Daher ist von einer Veränderung Betroffenen, insbesondere bei Einziehung eines Geschäftsanteils, zu empfehlen, möglichst bei der Beschlussfassung zu Protokoll gegen den jeweiligen Beschluss  Widerspruch einzulegen und im Anschluss unverzüglich einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, um den Rechtsschein einer wirksamen Änderung vorläufig zu unterbinden. Die einstweilige Verfügung gegen die Gesellschaft kann dabei entweder darauf gerichtet werden, der Gesellschaft zu untersagen, eine neue Liste zur Eintragung in das Handelsregister einzureichen, oder alternativ auf eine positive Regelung, die es der Gesellscha! auferlegt, den Betroffenen weiterhin als Gesellschafter zu behandeln [vgl. Heckschen, NZG 2019, 1097 (1099)].


Quelle: Deutscher AnwaltSpiegel Ausgabe 2, 19. Januar 2022, Autoren: Dr. Peter Sebastian Schneider und Marvin Frank



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Über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Geschäftsführer entscheidet die Gesellschafterversammlung.
Ohne den Beschluss fehlt der GmbH im Gerichtsverfahren die Klagebefugnis.


Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Wohnungsbaugesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Sie hatte zwei Geschäftsführer. Die Gesellschaft begehrte von einem der Geschäftsführer Schadensersatz, weil er ohne Absprache mit dem weiteren Geschäftsführer Vergütungszahlungen veranlasst hatte, für die nach Auffassung der Gesellschaft kein Rechtsgrund bestand. Erstinstanzlich wurde die Klage vom Landgericht Stendal abgewiesen. Gegen das Urteil wandte sich die Klägerin mit der Berufung.
Das Urteil des OLG Naumburg vom 29.04.2021 (Az. 2 U 91/20)
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Zwar holte die Klägerin die für die Geltendmachung der Ersatzansprüche nötige Entscheidung der Gesellschafterversammlung ein, die in der ersten Instanz noch gefehlt hatte. Sie konnte aber die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches – konkret: den Eintritt eines Vermögensschadens durch das Verhalten des Geschäftsführers – nicht beweisen. Daher blieb die Berufung erfolglos.

Praxishinweis

Den Geschäftsführer einer GmbH treffen vielfältige Pflichten. Sie sind teilweise konkret im Gesetz geregelt (z.B. die Pflicht zur Kapitalerhaltung, zur Einreichung einer Gesellschafterliste nach Änderungen im Gesellschafterbestand oder zur ordnungsgemäßen Buchführung). Daneben verpflichtet § 43 Abs. 1 GmbHG sie allgemein, bei allen Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Verletzt der Geschäftsführer diese Obliegenheit, haftet er nach § 43 Abs. 2 GmbHG persönlich für die daraus entstandenen Schäden.
Über die Geltendmachung solcher Ersatzansprüche gegen aktuelle oder bereits ausgeschiedene Geschäftsführer entscheidet bei der GmbH die Gesellschafterversammlung durch Beschluss (§ 46 Nr. 8 alt. 1 GmbHG). Der dafür erforderliche Gesellschafterbeschluss muss regeln, um welches Fehlverhalten es geht, ob insofern gegen den Geschäftsführer überhaupt vorgegangen werden soll und – wenn ja – welche Maßnahmen gegen ihn eingeleitet werden sollen. Die Beschlussfassung ist in Ausnahmefällen entbehrlich; insbesondere in GmbHs mit nur einem Gesellschafter ist sie nicht notwendig, wenn sich der Wille des Alleingesellschafters zur Geltendmachung der Ersatzansprüche auf andere Weise zeigt. Auch in Zwei-Personen-GmbHs kann das Beschlusserfordernis entfallen, wenn einer der Gesellschafter(-Geschäftsführer) selbst betroffen ist und daher einem Stimmverbot unterliegt. Abgesehen davon kann die Satzung das Beschlusserfordernis abbedingen.
Ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht ausnahmsweise entbehrlich, sollte er auf keinen Fall vergessen werden. Denn: Solange der Beschluss fehlt, sind Klagen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer unbegründet. Um eine Klageabweisung zu vermeiden, ist daher darauf zu achten, dass ein Gesellschafterbeschluss über die Geltendmachung der Ersatzansprüche gefasst wird. Bestenfalls sollte der Beschluss vor Klageerhebung vorliegen. Es reicht aber auch aus, wenn der Beschluss – so wie im vom OLG Naumburg entschiedenen Fall – im laufenden Verfahren und sogar noch in der Berufungsinstanz nachgeholt wird.

Wie das OLG Naumburg betont hat, gilt die Kompetenz der Gesellschafterversammlung für die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen auch, wenn die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet hat. Es steht den Gesellschaftern allerdings frei, durch entsprechende Satzungsregelungen die Beschlusskompetenz auf ein anderes Gremium (z.B. einen Aufsichtsrat, einen Beirat oder einen Gesellschafterausschuss) zu übertragen. Im Prozess selbst wird die Gesellschaft dann entweder von ihren (nicht betroffenen) Geschäftsführern, einem Aufsichtsrat oder – auch insofern können die Gesellschafter Einfluss nehmen – einem von der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 alt. 2 GmbHG bestellten Prozessvertreter (z.B. einem bestimmten Gesellschafter oder auch einem hierfür ausgewählten gesellschaftsfremden Dritten) vertreten.

Quelle: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG im Januar 2022


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Handlungsfähigkeit der GmbH sichern

Wie sieht es in Ihrer GmbH aus, wenn der Geschäftsführer wegen schwerer Lungenschäden ins künstliche Koma versetzt werden muss?
Was ist, wenn der Mehrheitsgesellschafter nach kurzem und schwerem Verlauf verstirbt?
Die Covid-19-Pandemie führt uns einmal mehr vor Augen, dass jeder von uns plötzlich und unerwartet ausfallen kann. Bei dem betroffenen Menschen tritt ein, was für uns in gesunden Tagen undenkbar ist: totaler Verlust der Handlungsfähigkeit.
Wenn Sie sich lieber ein anderes Mal mit diesen sperrigen Fragen befassen wollen, dann geht es Ihnen wie der großen Mehrheit der unternehmerisch Tätigen. Wie akut der Handlungsbedarf tatsächlich ist, zeigen die folgenden Beispiele.

Ausfall des Geschäftsführers
Die Stellung als Geschä!sführer endet sofort und automatisch mit dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit.
Dasselbe gilt im Fall des Todes des Geschä!sführers. Das Geschäftsführeramt ist – anders als manche glauben– nicht vererblich. Die Gesellschaft  verliert in diesen Fällen also sofort und ohne Abwehrmöglichkeit ihr Vertretungsorgan. Selbst wenn der Geschä!sführer seine Geschäftsfähigkeit
später wiedererlangt oder er in seinem Testament angeordnet hat, dass eine bestimmte Person in die Geschäftsführung nachfolgen soll, muss eine Neubestellung durch die Gesellschafterversammlung erfolgen. Es gibt aber viele rechtliche und tatsächliche Gründe, warum sich eine Neubestellung
ganz erheblich verzögern kann.

Es ist daher für das Unternehmen sehr wichtig, dass andere Personen ausreichende Vertretungsbefugnisse haben, um in die Bresche springen zu können.
Die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers ist, rein rechtlich gesehen, die einfachste Lösung. Durch die Beschränkung der Vertretungsmacht des weiteren Geschäftsführers auf die gemeinschaftliche Vertretung mit einem Prokuristen kann als Sicherungsmaßnahme das Vieraugenprinzip etabliert werden. Für viele KMUs ist das aber aus wirtschaftlichen und unternehmenspolitischen Gründen keine Option – Geschäftsführer haben die Erwartung, auch wie solche behandelt und vergütet zu werden.
Es ist rechtlich möglich, einen weiteren Geschäftsführer „auf Vorrat“ unter der aufschiebenden Bedingung der Geschäftsunfähigkeit des primären
Geschäftsführers zu bestellen. In der Praxis ist aber oft nicht schnell und eindeutig feststellbar, wann die Geschäftsunfähigkeit einsetzt. Aus demselben Grund wird allgemein davon abgeraten, Vollmachten unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit zu stellen.
Es kann stattdessen mit einer weitgehenden, notariell beurkundeten oder zumindest schriftlichen Handlungsvollmacht zugunsten einer Person des
Vertrauens gearbeitet werden. Es ist aber ein vielfach unterschätztes Problem, dass solche Vollmachten nur dann praktisch brauchbar sind, wenn
sie von den Geschä!spartnern ohne weiteres akzeptiert werden. Insbesondere Banken tun sich bei bedeutenden Geschäften mit privatschriftlichen Vollmachten oftmals schwer, weswegen der schriftlich Bevollmächtigte zumindest bei der Hausbank eine gesonderte Bankvollmacht bekommen sollte.
Vollmachtsurkunden werden zum Problemfall, wenn ihre Rechtswirkungen vollständig beseitigt werden sollen. Es darf niemanden überraschen, wenn der ehemalige Bevollmächtigte nach der Entziehung
des Vertrauens behauptet, die Urkunde zu Beweiszwecken behalten zu dürfen oder dass er sie verloren habe.
Die Urkunde muss aber aus dem Verkehr gezogen werden, um künftige Missbräuche zu verhindern. Das kann langwierige Verfahren nach sich ziehen.
Oft ist daher die einfachste und beste Lösung, einen oder mehrere Prokuristen zu bestellen. Der Prokurist kann seine Vertretungsbefugnis mit einem Handelsregisterauszug nachweisen, der jederzeit elektronisch eingeholt werden kann. Dasselbe gilt für den Widerruf der Prokura. Wenn als Element der Kontrolle das Vieraugenprinzip gelten soll, dann können mehrere Prokuristen bestellt werden, die nur gesamtvertretungsberechtigt sind.
Das kann sich insbesondere dann anbieten, wenn die GmbH Beteiligungen an anderen Gesellschaften hält. Prokuristen können die Rechte aus solchen Beteiligungen ausüben, insbesondere das Stimmrecht in den Gesellschafterversammlungen von Tochtergesellschaften.

Ausfall eines Gesellschafters
Wird ein Gesellscha!er geschäftsunfähig, dann sieht das Gesetz die Bestellung eines Betreuers durch das zuständige Amtsgericht vor. Solche Verfahren sind langwierig und kostenintensiv.
Das Gericht muss zwingend ein Sachverständigengutachten einholen, in der Regel von einem Psychiater.
Bis zur Bestellung eines Betreuers können keine wirksamen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gefasst werden, weil keine wirksame Einberufung durchgeführt werden kann.
Das ist insbesondere dann fatal, wenn der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer ausgefallen ist und dringend ein neuer Geschäftsführer bestellt werden muss. Der Betreuer muss dem Betreuungsgericht regelmäßig berichten und gegenüber dem Gericht Rechnung legen. Für wichtige Entscheidungen kann eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich sein. Das bringt mit sich, dass Außenstehende wichtige Interna des Unternehmens erfahren und die Steuerung der Gesellschaft nicht mehr allein in den Händen der Gesellschafter liegt.
Dieses Szenario kann gar nicht dunkel genug beschrieben werden. Die Bestellung eines Betreuers sollte unbedingt vermieden werden.

Nach den Vorgaben des Gesetzes ist die Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich, sofern die geschäftsunfähige Person eine Vollmacht erteilt hat. In der Praxis werden dafür oft Pakete angeboten, in denen eine Generalvollmacht, eine Betreuungsverfügung und eine Patientenverfügung
zusammengefasst werden. Die Person Ihres Vertrauens für private Fragen (privates Vermögen, medizinische Behandlungen etc.) muss aber nicht dieselbe Person sein, der Sie die Ausübung Ihrer Gesellschafterrechte anvertrauen wollen. Insbesondere dann nicht, wenn der Ehepartner die privaten Dinge regeln, aber ein Kind in die unternehmerischen Fußstapfen treten soll. Darüber hinaus geht es Mitgesellschafter, Fremdgeschäftsführer und sonstige Dritte nichts an, welche Weisungen Sie Ihrem Bevollmächtigten für die Ausübung der Vollmacht gegeben und welche höchstpersönlichen Entscheidungen Sie in einer Patientenverfügung zu Gesundheitsfragen getroffen haben. Es kommt noch hinzu, dass nicht wenige Satzungen genaue Vorgaben machen, wer als Vertreter eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung zugelassen ist. Die Vollmacht muss harmonisch mit den Satzungsbestimmungen sein, was nicht selten übersehen wird.
Es ist daher oft am besten, mit mehreren separaten Urkunden für die verschiedenen Bereiche zu arbeiten. Dazu kann zum Beispiel der unternehmerische Bereich ausgeklammert und zum Gegenstand einer gesonderten Stimmrechtsvollmacht gemacht werden. Das funktioniert dann sehr gut, wenn die einzelnen Elemente „aus einem Guss“ aufeinander abgestimmt sind.

Viele moderne GmbH-Satzungen sehen vor, dass die Gesellschafter mit ihren Ehepartnern in einem Ehevertrag die Gütertrennung oder zumindest
eine modifizierte Zugewinngemeinschaft (Ausklammerung der Unternehmensbeteiligung bei der Zugewinnberechnung) vereinbaren müssen. Das wird gemacht, um die Gesellschaft vor einem übermäßigen Liquiditätsbedarf eines geschiedenen Gesellschafters zu schützen. Diese Satzungsklauseln sehen üblicherweise vor, dass die Geschä!sführung jederzeit von jedem Gesellschafter den Nachweis verlangen kann, dass er einen dahingehenden Ehevertrag abgeschlossen hat. Für den Fall des Verstoßes werden typischerweise scharfe Sanktionen wie die Zwangseinziehung vereinbart, damit die Gesellschafter ihrer Satzungsverpflichtung auch tatsächlich nachkommen. Ob man sich zum Wohl der Gesellschaft so weit in das Privatleben „hineinregieren“ lassen will, müssen die Gesellschafter für sich entscheiden. Es kann sich anbieten, in der Satzung nach demselben Modell die Verpflichtung zu verankern, dass jeder Gesellschafter einen Bevollmächtigten haben muss, dessen Vollmacht die Ausübung der Gesellschafterrechte deckt. Die evidenten Nachteile der Bestellung eines Betreuers für einen Gesellschafter sprechen für eine solche Gestaltung.

Handlungsunfähige Erbengemeinschaft
Geschäftsanteile an einer GmbH sind vererblich. Die Satzung der GmbH kann das nicht ausschließen. Die Geschäftsanteile eines verstorbenen Gesellschafters fallen daher immer in seinen Nachlass. Hat der Gesellschafter mehrere Erben, dann bilden diese zwingend eine Erbengemeinschaft. Ohne ein Testament tritt dieser Fall sehr häufig auf, insbesondere wenn ein überlebender Ehepartner und mindestens ein Kind vorhanden sind.
Die Rechte aus der Beteiligung können dann nur von allen Erben gemeinschaftlich ausgeübt werden, insbesondere die Stimmrechte. Besteht Streit oder Ungewissheit über die Erbfolge, dann schlägt das auf die GmbH durch. Es ist dann nicht klar, wer der richtige Adressat für die Gesellschaft ist und wer verbindliche Entscheidungen für den Nachlass treffen kann. Ein eindeutiges Testament kann den Angehörigen und dem Unternehmen hier viel ersparen.
Wir sehen in unserer Praxis aber sehr oft selbstverfasste Testamente, in denen die wichtigsten Vermögensgegenstände einzeln genannt und bestimmten Personen zugewiesen werden – ohne eindeutige Aussagen zur Erbfolge und zu Ersatzerben. Solche Testamente führen oft zu jahrelangen streitigen Auseinandersetzungen, die für das Unternehmen regelmäßig zu einer schweren Belastungsprobe werden. Das alles ist vermeidbar.
Wenn Sie einzelne Vermögensgegenstände verschiedenen Personen zuwenden wollen (zum Beispiel private Immobilien dem Ehepartner und Geschäftsanteile einem Kind, das Ihr designierter Nachfolger im Unternehmen ist), dann ist die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers oft eine wichtige flankierende Maßnahme. Testamentsvollstreckung klingt etwas angestaubt.
Tatsächlich ist es ein äußerst flexibles Instrument, mit dem sich viele potentielle Schwierigkeiten von vornherein vermeiden lassen. Der Testamentsvollstrecker verwaltet Ihren Nachlass und richtet sich dabei nur nach den Verfügungen in Ihrem Testament und den gesetzlichen Vorgaben.
Er ist nicht an Weisungen der Erben gebunden. Die Erben können ihm nicht kündigen. Er kann die Rechte aus Ihren Geschäftsanteilen ausüben und ist dabei streng an Ihre Vorgaben gebunden – nicht an die o! gegensätzlichen Vorstellungen zerstrittener Erben.
Er ist im übertragenen Sinne Ihr Dienstleister, der sicherstellt, dass Ihr letzter Wille nicht nur auf Papier steht, sondern Wirklichkeit wird.
Eine Lähmung der Erbengemeinschaft schlägt nicht auf das Unternehmen durch.


Quelle: Deutscher AnwaltSpiegel Spezial 2021/2022, November 2021; Autor: Sascha Unger, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)


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BFH Urteil vom 18. Mai 2021, I R 62/17

BFH I. Senat  - KStG § 8 Abs 3 S 2 , InsO § 39 Abs 1 Nr 5 , KStG VZ 2012 , FGO § 96
vorgehend FG Köln, 29. Juni 2017, Az: 10 K 771/16

Leitsätze

1. Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen steht die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegen.

2. Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen.
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 29.06.2017 - 10 K 771/16 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

I. Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine inländische GmbH, erwarb im Jahr 2012 (Streitjahr) von T sämtliche Anteile an der T GmbH zu einem Kaufpreis von … €. Jene GmbH wurde sodann mit Verschmelzungsvertrag vom …2012 auf die Klägerin verschmolzen (steuerlicher Übertragungsstichtag: 31.12.2011).

Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin im Streitjahr bei ihrer Alleingesellschafterin, der D GmbH, ein Darlehen in Höhe von … € auf, das mit 8 % p.a. verzinst wurde (Gesellschafterdarlehen). Die Zinsen waren nicht laufend, sondern erst mit Ablauf des Darlehensvertrags am 31.12.2021 zu entrichten. Sicherheiten waren keine vereinbart. Die D GmbH nahm ihrerseits Fremdmittel in gleicher Höhe und unter identischen Konditionen von ihren Gesellschaftern auf, u.a. von ihrer niederländischen Gesellschafterin, der N U.A., ein Darlehen über … €.

Daneben erhielt die Klägerin ein Bankdarlehen in Höhe von … €, das mit durchschnittlich 4,78 % p.a. verzinst wurde und vollumfänglich --auch von der D GmbH-- besichert war.

Schließlich erhielt sie vom Verkäufer T ein Verkäuferdarlehen in Höhe von … €, das mit 10 % p.a. verzinst wurde und nicht besichert war.

Das Gesellschafterdarlehen war gegenüber allen sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin, insbesondere gegenüber den beiden anderen Darlehensverbindlichkeiten, nachrangig. In ihrer Bilanz zum 31.12.2012 erfasste die Klägerin im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehen eine Zinsverbindlichkeit von … €.

 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) legte dem angegriffenen Körperschaftsteuerbescheid vom 16.02.2016 hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens die Auffassung zugrunde, dass fremde Dritte einen Zinssatz von 5 % vereinbart hätten. In Höhe der Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8 % liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vor. Daher sei das Einkommen der Klägerin für das Streitjahr um … € zu erhöhen.

Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Finanzgericht --FG-- Köln, Urteil vom 29.06.2017 - 10 K 771/16, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1812).

Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 2012 vom 16.02.2016 dahingehend abzuändern, dass weiterer Zinsaufwand in Höhe von … € gewinnmindernd berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht dessen Annahme, dass wegen der vereinbarten Verzinsung für das Gesellschafterdarlehen in Höhe von 8 % p.a. von einer vGA zugunsten der D GmbH auszugehen sei.

1. a) Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (sog. Fremdvergleich, ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 16.03.1967 - I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 07.08.2002 - I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 08.09.2010 - I R 6/09, BFHE 231, 75, BStBl II 2013, 186).

b) Der Fremdvergleich verlangt nur das "Wegdenken" der Nahestehensbeziehung. Das Fortbestehen aller übrigen Beziehungen wird unterstellt (Senatsurteil vom 29.10.1997 - I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573).

2. Diesen Rechtsgrundsätzen zur Anwendung des Fremdvergleichs genügt die angegriffene FG-Entscheidung nicht. Dessen Schlussfolgerung, dass ein fremder Dritter das streitige Darlehen (Gesellschafterdarlehen, Zinssatz 8 %) zu einem Zinssatz von lediglich 5 % gewährt haben würde, ist rechtsfehlerhaft zustande gekommen.

a) Soweit das FG darauf abstellt, dass der mit dem Bankenkonsortium vereinbarte durchschnittliche Zinssatz von 4,78 % den Maßstab auch für das streitige Darlehen bilde, übersieht es, dass sich der gedachte und gewissenhafte Geschäftsleiter daran nicht ohne Weiteres orientiert haben würde. Denn die Kredite des Bankenkonsortiums waren besichert und vorrangig zu bedienen. Das streitige Darlehen war hingegen unbesichert und nachrangig. Fehlen, wie vorliegend, gegenteilige Feststellungen, so widerspricht es den allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht annimmt, dass ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen zum gleichen "Preis" gewährt haben würde. Dieser Verstoß gegen die allgemeinen Erfahrungssätze lässt die Bindung des Bundesfinanzhofs (BFH) an die tatrichterlichen Feststellungen entfallen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. allgemein Senatsurteil vom 27.03.1996 - I R 3/95, BFHE 180, 155, BStBl II 1996, 470).

Der Hinweis des FG auf die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl I 2008, 2026), die durch die Gestellung von Sicherheiten nicht ausgehebelt werden und folglich auch keinen Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe rechtfertigen könne, ist für den Fremdvergleich rechtlich unbeachtlich. Bei diesem Vergleich ist das "Nahestehen" hinwegzudenken. Dann wäre aber ein Darlehensgeber gerade kein Gesellschafter, sondern ein fremder Dritter und seine Forderung würde keiner gesetzlichen Rangminderung im Insolvenzfall unterliegen. Entschlösse sich dagegen der fremde Dritte im Verhandlungswege, "freiwillig" den Vorrang einer Forderung eines anderen Drittgläubigers zu akzeptieren, würde er mutmaßlich vom Darlehensnehmer eine finanzielle Kompensation für die Hinnahme dieses Nachteils verlangen.

b) Dass das Vermögen der Klägerin über eine ausreichende Substanz verfügte und damit der D GmbH als Kreditgeberin eine hinreichende Sicherheit für die Darlehensrückzahlung bot, sodass keine Notwendigkeit für einen Risikozuschlag im Zinssatz bestanden habe, wie das FG ausführt, entspricht ebenfalls nicht dem mutmaßlichen Denken eines fremden Dritten. Dieser würde bei der Festlegung der Kreditbedingungen nicht nur auf die aktuelle Vermögenssituation seines Schuldners abstellen, sondern vor allem dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung in den Blick nehmen. Denn sein Ausfallrisiko hängt im Wesentlichen von dieser Entwicklung ab (vgl. z.B. Scholz/Köhler, Deutsches Steuerrecht 2018, 15). Da er indes die wirtschaftliche Zukunft seines Schuldners allenfalls prognostizieren könnte, liegt es nahe, dass er bei gegebener Sachlage (Nachrangigkeit des Darlehens, fehlende Sicherheiten) einen höheren "Preis" für die Überlassung des Kapitals fordern würde als ein abgesicherter Gläubiger.

3. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat aus prozessökonomischen Gründen auf folgende Gesichtspunkte hin:

a) Zunächst wird das FG anhand der vom BFH entwickelten Grundsätze zu prüfen haben, ob der streitige Darlehensvertrag dem Grunde nach steuerrechtlich anzuerkennen ist. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen, wie etwa einzelner Abreden zur Frage der Verzinsung, der Sicherheitengestellung oder der Fälligkeit der Zinszahlungen, die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (vgl. Senatsurteil in BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573; BFH-Urteil vom 16.10.2014 - IV R 15/11, BFHE 247, 410, BStBl II 2015, 267). Sollte der Vertrag nicht anzuerkennen sein, wäre der geltend gemachte Zinsaufwand von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

b) Bei einer Anerkennung des Darlehensvertrags dem Grunde nach kommt der Ansatz einer vGA nur dann in Betracht, wenn der "Preis" (als der der D GmbH als Darlehensgeberin zustehende Zins) für die Kapitalüberlassung das Maß des Fremdüblichen überschritten hätte. Dies festzustellen, obliegt in erster Linie dem FG als Tatgericht. Für die von ihm regelmäßig durchzuführende Schätzung kann es sich nach ständiger Senatsrechtsprechung verschiedener Methoden bedienen; die Bestimmung der im Einzelfall geeignetsten Methode obliegt ebenfalls zuvörderst dem FG. Entscheidet sich dieses, wie die Vorinstanz, für die Anwendung der Preisvergleichsmethode (zur Methodenwahl vgl. Senatsurteil vom 18.05.2021 - I R 4/17, zur Veröffentlichung bestimmt), dann setzt dies voraus, dass der zu beurteilende Preis einerseits und der als Maßstab anzulegende Vergleichspreis andererseits auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen. Ein Preisvergleich ist deshalb nicht oder nur mit Einschränkungen möglich, wenn bei einem verbundenen Unternehmen spezielle Umstände gegeben sind, die im Verhältnis zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen eine abweichende Preisgestaltung veranlassen würden. In einem solchen Fall können tatsächlich vorhandene Vereinbarungen mit oder zwischen dritten Unternehmen allenfalls nach Vornahme entsprechender Anpassungen auf die konkret zu beurteilende Leistungsbeziehung übertragen werden (zum Vorstehenden Senatsurteile vom 17.10.2001 - I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171; vom 06.04.2005 - I R 22/04, BFHE 209, 460, BStBl II 2007, 658). Will das Tatgericht, wie vorliegend in erster Instanz geschehen, das streitige Gesellschafterdarlehen mit dem tatsächlich gewährten Darlehen der Konsortialbanken vergleichen (interner Preisvergleich), dürfte es naheliegen, insbesondere die Nachrangigkeit und die Unbesichertheit des Gesellschafterdarlehens als solche speziellen Umstände anzusehen, die Anpassungen bei der Preisfindung erforderlich machen könnten (Bärsch/Engelen, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2018, 122; Ebeling/Grundmann/Nolden, IStR 2018, 581, mit ausführlichen Anpassungsrechnungen). Auch das Darlehen des Verkäufers T, der bei Fehlen entgegenstehender Indizien als "fremder Dritter" anzusehen sein dürfte, wird im Rahmen eines Preisvergleichs bei der gebotenen Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zwingend einzubeziehen sein.

Davon abgesehen wird das substantiierte Vorbringen der Klägerin zu würdigen sein, dass es einen Markt für nachrangige Kredite gibt. Trifft dies nach der Würdigung des Tatgerichts zu, gibt dieser Markt den zutreffenden Maßstab für einen etwaigen externen Preisvergleich her (vgl. Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 693a; Bärsch/Engelen, IStR 2018, 122). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht als fernliegend, dass fremde Dritte auf diesem Markt bereit sind, gegen Zahlung eines höheren "Preises", also der Vereinbarung eines Zinszuschlages zur Kompensation eines höheren Ausfallrisikos, unbesicherte Nachrangdarlehen zu gewähren (vgl. Senatsurteile vom 19.01.1994 - I R 93/93, BFHE 174, 61, BStBl II 1994, 725; vom 19.06.2019 - I R 54/17, Rz 16, IStR 2020, 230; Gosch, a.a.O.; Schwenke, Internationale Steuer-Rundschau --ISR-- 2020, 77), mit der weiteren Folge, dass derartige Darlehen auch im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern anzuerkennen wären. Da es sich bei vorgenannten fremden Dritten nicht um "klassische Banken" handeln muss, ist auf das gedachte Verhalten dieser Dritten abzustellen und nicht auf das Verhalten von Banken. Auf eine "Banküblichkeit" käme es mithin nicht an (Schwenke, ISR 2020, 77; wohl a.A. Wacker, Finanz-Rundschau 2019, 449).

c) Wegen der Frage, welche Bedeutung für den Preisvergleich dem Umstand zukommt, dass die Vertragsparteien in einer Konzernstruktur verbunden sind und die Darlehensgeberin als Alleingesellschafterin Einfluss auf das Verhalten der Klägerin als Darlehensnehmerin nehmen kann (sog. Rückhalt im Konzern), wird im Einzelnen auf das Senatsurteil vom 18.05.2021 - I R 4/17 verwiesen.

d) Die Feststellungslast, dass der vereinbarte Zinssatz nicht fremdüblich ist, trägt grundsätzlich das FA (vgl. Senatsurteil in BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, m.w.N.).

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.


Quelle: BFH / 18.05.2021  ECLI:DE:BFH:2021:U.180521.IR62.17.0
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202110202/


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Zahlungszusagen von GmbH-Geschäftsführern für Schulden der Gesellschaft können als Schuldbeitritt auszulegen sein, aus denen die Geschäftsführer von Gesellschaftsgläubigern persönlich in Anspruch genommen werden können.


Hintergrund

Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer einer mittlerweile insolventen GmbH (im Folgenden: „Schuldnerin“). Die Schuldnerin schloss mit der Klägerin einen Beratungsvertrag, um u.a. durch Umstrukturierung der betrieblichen Organisation ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erhielt von der Schuldnerin allerdings zu keinem Zeitpunkt Honorarzahlungen.

Mit Blick auf die nicht bezahlten Honorarrechnungen trafen sich der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte zu einem klärenden Gespräch. Hierbei sagte der Beklagte zu, das offene Honorar an die Klägerin zu bezahlen. Zwischen den Parteien blieb jedoch streitig, ob der Beklagte zugesagt hatte, die Zahlungen persönlich zu leisten. Auf Grundlage des Beratungsvertrages und der Zahlungszusage nahm die Klägerin den Beklagten persönlich auf Zahlung des Beraterhonorars in Anspruch.

Das Versäumnisurteil des BGH vom 03.09.2020, Az. III ZR 56/19
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist der Beklagte persönlich zur Zahlung der Honorarrechnungen aufgrund seiner Zahlungszusage verpflichtet. Denn diese sei als Schuldbeitritt, also als Begründung einer eigenen Verbindlichkeit, auszulegen. Empfangsbedürftige Willenserklärung seien gem. §§ 133, 157 BGB „so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Empfängerhorizont).“ Für die Bewertung, ob eine mehrdeutige Erklärung als Schuldbeitritt angesehen werden kann, sei insbesondere die Interessenlage und das eigene wirtschaftliche oder rechtliche Interesse der sich verpflichtenden Partei entscheidend.

Anhand dieser Maßstäbe sei die Erklärung des Beklagten, dass er die Rechnungen zahlen werde, als Schuldbeitritt auszulegen, womit er als Gesamtschuldner neben der Schuldnerin haftet. Dies schloss der BGH aus den Umständen des Falls. Denn zum einen war es sowohl dem Beklagten als auch der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass die Schuldnerin die Rechnungen aus Gesellschaftsmitteln nicht begleichen konnte. Zum anderen hatte der Beklagte der Schuldnerin zuvor ein Gesellschafterdarlehen in Millionenhöhe gewährt. Motiv des Beklagten sei es daher gewesen, die Schuldnerin vor der Insolvenz zu bewahren und damit seine Darlehensansprüche zu retten. Außerdem hatte der Beklagte schon in der Vergangenheit mit eigenem Bargeld u.a. Gehälter von Mitarbeitern bezahlt hat, um dadurch finanzielle Engpässe der Schuldnerin überbrücken zu können. Vor diesem Hintergrund sei es daher, so der BGH, nicht maßgeblich, ob der Beklagte den Begriff „persönlich“ im Rahmen seiner Zahlungszusage ausdrücklich verwendete.

Anmerkung
Grundsätzlich ist die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers als Binnenhaftung allein gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. Insbesondere Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer können damit im Grundsatz nur von der Gesellschaft, nicht aber von Dritten, geltend gemacht werden. Gleichzeitig können Zahlungsansprüche gegen die Gesellschaft im Regelfall nur gegen diese, nicht hingegen gegen die Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden. Das Urteil des BGH führt jedoch deutlich vor Augen, dass es hiervon auch Ausnahmen gibt und in zahlreichen Konstellationen – beispielsweise bei Schuldbeitritten, Garantieversprechen und Bürgschaften – für den Geschäftsführer die Gefahr einer persönlichen Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern besteht.

Die Erklärung des Schuldbeitritts bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form. Dies gilt auch für das sog. Garantieversprechen, als das Zahlungszusagen u.U. ebenfalls ausgelegt werden können. Der Garantievertrag unterscheidet sich vom Schuldbeitritt dadurch, dass  damit eine verschuldensunabhängige Haftung des Geschäftsführers für den Eintritt oder das Ausbleiben eines bestimmten Ereignisses begründet wird. Steht das eigene wirtschaftliche Interesse bei einer Zahlungszusage des Geschäftsführers nicht im Vordergrund, kommt die Begründung einer (subsidiären) Haftung als Bürge in Betracht, wobei die Erklärung des Bürgen allerdings der Schriftform bedarf.

Daneben ist z.B. im Fall der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens oder beim Vorliegen eines wirtschaftlichen Eigeninteresses unter bestimmten Voraussetzungen eine cic-Haftung (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB) denkbar. Darüber hinaus kann eine Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten insbesondere über Deliktstatbestände (z.B. §§ 823, 826 BGB), durch spezielle Tatbestände aus dem Wettbewerbsrecht oder bspw. aufgrund der Insolvenzverschleppung begründet werden.

Quelle: Haufe.de Online News 17.03.2021



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Nimmt ein Gesellschafter seine Rechte auf Einsicht in die Bücher und Schriften der GmbH wahr, hat die Gesellschaft die Einsicht unter Beachtung der geltenden Hygiene- und Gesundheitsvorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu gewähren.

Hintergrund
Der Unternehmensgegenstand der beklagten GmbH ist die Verwaltung eigenen Vermögens. An ihr sind zwei Gesellschafter beteiligt, die Antragstellerin und ihr Mitgesellschafter, der zugleich alleiniger Geschäftsführer ist.
Die Antragstellerin begehrte Einsicht in die Handelsbücher und Geschäftsunterlagen der GmbH einschließlich der Korrespondenz und Buchungsbelege der Jahre 2008 bis 2019. Mit rechtskräftigem Beschluss hat das Landgericht Frankfurt am Main der GmbH aufgegeben, der Antragstellerin diese Einsicht zu gewähren.
Am 15. Mai 2020 kam es zu einer Zusammenkunft der Parteien im Wohnhaus des Mitgesellschafters, wobei die Antragstellerin – wie vom Gericht gestattet – von ihren Rechtsanwälten begleitet wurde. Der Mitgesellschafter verwies zur Einsichtnahme auf den Geschäftsraum. Der GmbH stand als einziger Geschäftsraum nur ein ca. 13m² großer Raum in dem Wohnhaus des Mitgesellschafters zu Verfügung, in dem sich ein Schreibtisch, ein Computertisch und eine Couch mit einem weiteren Schreibtisch befanden. Zudem war der Raum zum Teil mit mehr als zehn Umzugskartons vollgestellt, in welchem sich die (ungeordneten) Geschäftsunterlagen der GmbH befanden.

Nach kurzer Diskussion, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist, teilten die Vertreter der Antragstellerin mit, dass sie wegen der vorgefundenen Bedingungen die Einsichtnahme abbrechen werden. Auf den anschließenden Antrag der Antragstellerin verhängte das Landgericht Frankfurt am Main gegen die GmbH ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 5.000,00, ersatzweise für je EUR 250,00 einen Tag Ordnungshaft. Als Begründung führte es aus, dass der streitige Anspruch auf Einsichtsgewährung nicht erfüllt worden sei.
Gegen diesen Beschluss legte die GmbH sofortige Beschwerde ein. Im Wesentlichen führte die GmbH aus, dass sie den Anspruch erfüllt habe und dass die Corona-Pandemie nur ein vorgeschobener Grund gewesen sei. Darüber hinaus habe der Mitgesellschafter angeboten, mehrere Kartons aus dem Geschäftsraum herauszutragen, um dadurch mehr Platz zu schaffen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Entscheidung dem OLG Frankfurt vorgelegt.

Der Beschluss des OLG Frankfurt vom 01.12.2020, Az. 21 W 137/20
Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragstellerin und deren Vertreter hätten die Einsichtnahme zu Recht abgebrochen, da es vorliegend unzumutbar gewesen sei, die Einsicht in dem 13 m² großen Raum vorzunehmen.
Zwar habe die Einsicht nach geltendem Recht grundsätzlich in den Geschäftsräumen der GmbH zu erfolgen und die GmbH muss die Einsichtnahme lediglich passiv „dulden“, also selbst keine Unterstützungsmaßnahmen vornehmen. Allerdings sei die Einsichtnahme dann an einem anderen Ort vorzunehmen, wenn zwingende Gründe dafür sprechen. Dabei sei die Belastung der Gesellschaft einerseits und das Recht des Gesellschafters auf Einsichtnahme andererseits unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen.
Im Streitfall habe der Geschäftsraum nicht ausgereicht, um die geltenden Hygiene- und Gesundheitsvorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie einhalten zu können. Nach § 1 Abs. 5 der Hessischen Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung sind die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Hygiene bei jeglichen Zusammentreffen zu beachten. Das Robert Koch-Institut empfiehlt einen Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Personen. Dies sei in dem 13 Quadratmeter großen Geschäftsraum auch dann nicht der Fall gewesen, wenn der Geschäftsführer einige Kartons herausgeräumt hätte. Auch sei das Tragen einer Mund-Nasen-Schutzbedeckung nicht ausreichend gewesen. Denn durch den Umstand, dass die zu sichtenden Geschäftsunterlagen über Jahre nicht geordnet oder aufbereitet worden waren und diese sich in weit mehr als zehn Kartons und einem Aktenschrank befunden haben, sei von einer längeren Einsichtnahme auszugehen gewesen.
Weil die körperliche Unversehrtheit ein hohes, verfassungsrechtlich geschütztes Gut sei, die GmbH keinen anderen Raum habe und auch kein tragfähiges alternatives Hygienekonzept entwickelt (oder auch nur vorgeschlagen) worden sei, hätte die GmbH einen anderen Raum anmieten und die Unterlagen zur Einsichtnahme dorthin verbringen müssen.
Schließlich, so das Oberlandesgericht, sei es auch angesichts der erkennbar unzureichenden Umstände nicht erforderlich gewesen, dass sich die Antragstellerin bei der Ablehnung der Einsichtnahme auf die konkreten Umstände der Unzumutbarkeit, namentlich die nicht eingehaltenen Hygieneregeln im Hinblick auf die Corona-Pandemie, im Einzelnen beruft.

Praxishinweise
Das Recht, von der GmbH Auskunft zu verlangen oder Einsicht in deren Bücher und Schriften zu nehmen, ist eines der unerschütterlichen, grundlegenden Rechte eines GmbH-Gesellschafters. Es ist in § 51a Abs. 1 GmbHG normiert; von diesem Recht kann auch die Satzung nicht abweichen (§ 51a Abs. 3 GmbHG). Das Recht des Gesellschafters, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen, ist sehr umfassend. Beispielsweise hat der Gesellschafter das uneingeschränkte Recht, sich sämtliche Geschäftsunterlagen, sämtliche geschäftsbezogene Korrespondenz, sämtliche Buchungen, Buchungssätze (Primanoten), Rechnungen etc. anzusehen. In der (digitalisierten) Praxis kann der Gesellschafter den Geschäftsführer auffordern, den Geschäfts-PC hochzufahren, das Passwort einzugeben, um dann die geschäftlichen Unterlagen durchzusehen.
Allerdings ist das Einsichtsrecht an gewisse Grenzen gebunden. Je umfangreicher es begehrt wird, desto eher ist es anzukündigen. Eine Behinderung der Geschäftsführung, etwa durch spontanes Erscheinen mit dem Begehren, umfassend Einsicht in bestimmte Unterlagen zu nehmen, ist beispielsweise unzulässig. Der Gesellschafter kann auf eigene Kosten Fotokopien von den jeweiligen Unterlagen machen.

Die GmbH hat die Einsichtnahme grundsätzlich nur passiv zu dulden. Insbesondere muss sie kein Kopiergerät bereitstellen, die Unterlagen nicht aufbereiten oder ordnen. Dort, wo Einsicht in elektronische Daten gefordert wird (z.B. E-Mails oder Buchungen), hat die Geschäftsführung entsprechende EDV bereitzustellen; das Ausdrucken der Daten genügt nicht, es sei denn, der Gesellschafter erklärt sich damit einverstanden und nimmt dies als Erfüllung an. Die Einsichtnahme hat – wie das OLG Frankfurt zu Recht erkennt – grundsätzlich in den Geschäftsräumen der GmbH zu erfolgen.
Von den Grundsätzen der passiven Duldung und der Einsichtnahme in den Geschäftsräumen sind jedoch dann Ausnahmen zu machen, wenn andernfalls die Einsichtnahme unmöglich gemacht werden würde. Dabei sind die Interessen der GmbH gegen die Interessen des Gesellschafters gegeneinander abzuwägen. Ist ein Gesellschafter beispielsweise gehbehindert, muss der Raum mit dem Rollstuhl erreichbar sein.

Im konkreten Fall hat das OLG Frankfurt die Interessen der Parteien gegeneinander abgewogen und erkannt, dass der von der GmbH zur Verfügung gestellte Raum vor dem Hintergrund der geltenden Hygiene- und Gesundheitsvorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht ausreichte, um die Einsichtnahme ungehindert zu ermöglichen. Im vorliegenden Fall war das Gericht übrigens großzügig im Hinblick auf die hier unterbliebene Anmahnung des fehlenden Hygieneschutzes vor Ort und bezeichnete eine Pflicht zur Benennung der unzureichenden Bedingungen vor dem Abbruch der Einsichtnahme eine „unnötige Förmelei“. Darauf sollte man sich aber in der Praxis nicht verlassen. Deshalb ist den Betroffenen grundsätzlich zu raten, etwaige „Mängel“ der Einsichtsgewährung (sei es im Hinblick auf Ort, Zeit oder Umfang) in jedem Fall unverzüglich und nachweisbar anzumahnen.

An diesem Fall zeigen sich erneut, welche Fallstricke auftreten können, wenn es um die Wahrung der Rechte von GmbH-Gesellschaftern in sich anbahnenden streitigen Auseinandersetzungen geht. Dabei kommt es für etwaige Mitwirkungspflichten der GmbH immer auf die Einzelheiten des jeweils zu beurteilenden Fall an. Sind sich die Parteien darüber uneinig, wie die Einsichtnahme konkret zu gewähren ist, ist es empfehlenswert, zuvor rechtlichen Rat einzuholen, um ein Zwangsgeld zu vermeiden.



Quelle: Haufe Wirtschaftsrecht / Januar 2021
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Ist eine Corona-Impfung für Arbeitnehmer verp!ichtend? Wer trägt dafür die Kosten?

Ein Impfstoff gegen Sars-CoV-2 (das „Coronavirus“) wird kommen – aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit. Die arbeitsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Kostentragung einer Impfung für Arbeitnehmer (m/w/d) im Betrieb und einer möglichen Impfpflicht sind weitestgehend jetzt schon klar.

Müssen Arbeitgeber die Impfung (kostenfrei) anbieten?
Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber nicht verlangen, dass dieser Coronaimpfungen durchführt oder bezahlt. Es ist allein Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, welche konkreten Schutzmaßnahmen er ergreifen möchte. Oft liegt es jedoch auch im Interesse des Arbeitgebers, dass Arbeitnehmer sich impfen lassen. Bietet der Arbeitgeber eine (kostenfreie) Impfung etwa über den Betriebsarzt an, so liegt darin eine Zuwendung, die er unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes grundsätzlichen allen Arbeitnehmern anbieten muss. Das Angebot nur auf wenige Arbeitnehmergruppen zu beschränken wird nur im Ausnahmefall zulässig sein, etwa wenn eine Arbeitnehmergruppe größeren Infektionsgefahren ausgesetzt ist als andere Gruppen.
Denkbar wäre etwa auch die Gewährung von „Impfprämien/-Incentives“ für die freiwillige Durchführung der Impfung, deren Verteilungsgrundsätze der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
Zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.12.2020 sind solche „Coronasonderzahlungen“ bis zu einem Betrag von 1.500,00 Euro nach § 3 Nr. 11a EStG sogar steuer- und sozialversicherungsfrei.

Kann der Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer sich impfen lassen?
Eine Coronaimpfung wäre derzeit für Arbeitnehmer nicht verpflichtend. Zunächst gibt es keine gesetzliche Impfpflicht. Eine solche gesetzliche Impfpflicht für bestimmte Arbeitnehmergruppen gibt es in Deutschland zurzeit nur im Fall der Masernkrankheit. Hier hat der Gesetzgeber jüngst durch das Masernschutzgesetz, das am 01.03.2020 in Kraft getreten ist, die Impfung gegen Masern zur Pflichtimpfung für bestimmte Arbeitnehmergruppen erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Impfp!icht im Eilverfahren bestätigt (BVerfG, Beschlüsse vom 11.05.2020 – 1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20).
§ 20 Abs. 8 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht demnach vor, dass alle Arbeitnehmer, die in Gesundheitseinrichtungen (wie Krankenhäusern und Arztpraxen usw. – vgl. § 23 Abs. 3 IfSG) tätig sind oder in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten, der P!icht zur Impfung gegen Masern unterliegen. Zu den Gemeinschaftseinrichtungen gehören Kitas, Horte, bestimmte Formen der Kindertagespflege oder Schulen (§ 33 Nr. 1 bis 3 IfSG). Ältere Arbeitnehmer/-innen, die vor dem 31.12.1970 geboren sind, sind hier von der Impfp!icht ausgeschlossen.
Von der Impfplicht betroffene Arbeitnehmer, die keinen Impfnachweis vorlegen, dürfen in den betroffenen Betrieben nicht tätig werden; das Gesundheitsamt wird in diesen Fällen ein sogenanntes Tätigkeitsverbot aussprechen. Ein solches Tätigkeitsverbot kann im Regelfall auch eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sich der Arbeitnehmer beharrlich weigert, sich impfen zu lassen. Eine „Zwangsimpfung“ kommt jedoch auch hier nicht in Betracht.

Für eine gesetzliche Impfp!icht in Bezug auf die Coronaimpfung müsste daher zunächst das Infektionsschutzgesetz geändert werden. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass eine gesetzliche Impfpflicht seitens der Politik geplant ist. Wahrscheinlicher ist, dass es – wie bei anderen Infektionskrankheiten auch – bei der Freiwilligkeit der Impfung bleibt.

Keine (arbeits-)vertragliche Impfpflicht
Ebenso gibt es keine (arbeits-)vertragliche Impfpflicht. Das Direktionsrecht (§ 106 GewO) reicht für eine Impfanordnung
des Arbeitgebers nicht aus; eine etwa im Arbeitsvertrag vereinbarte Impfpflicht dürfte, gemessen an den Anforderungen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB, nicht wirksam und damit nicht durchsetzbar sein.
„Für eine gesetzliche Impfpflicht in Bezug auf die Coronaimpfung müsste daher zunächst das Infektionsschutzgesetz geändert werden.“
Zum Teil wird eingewandt, Arbeitgeber könnten – abhängig von den möglichen Nebenwirkungen/Risiken einer Impfung einerseits und der Gefährlichkeit des Coronavirus andererseits (Letalitätsrate) – vom Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht verlangen, dass dieser sich impfen lasse. Diese Auffassung ist kritisch zu sehen und bildet nach derzeitigem Stand keine Grundlage für Arbeitgeber, verpflichtende Impfungen anzuordnen:

Der Arbeitnehmer ist zunächst nur dann zu einer Gesundheitsuntersuchung verpflichtet, wenn das Gesetz oder ein Tarifvertrag dies vorsieht (etwa arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG in Verbindung mit der  ArbMedVV, § 32 Abs. 1 JArbSchG, für Beschäftigte im Lebensmittelgewerbe § 43 Abs. 1 IfSG und für die Beförderung von Fahrgästen zum Beispiel § 48 Abs. 4 Nr. 3 FeV). Darüber hinaus besteht keine allgemeine Pflicht zur Gesundheitsuntersuchung als vertragliche Nebenpflicht (BAG vom 16.09.1997 – 9 AZR 538/96). Lediglich bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Untersuchung seines Gesundheitszustands dulden (BAG vom 06.11.1997 – 2 AZR 801/96; BAG vom 27.09.2012 – 2 AZR 811/11). Das Interesse des Arbeitgebers an der Untersuchung ist dabei immer gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit abzuwägen.
Dabei muss zunächst nach der Art des Eingriffs und dem Eingriffsziel differenziert werden; im Kern bedarf es immer einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Für Impfungen, die – anders als Gesundheitsprüfungen – per se nicht dazu geeignet sind, eine auf einer akuten und/oder chronischen Erkrankung beruhende Arbeitsunfähigkeit zu begutachten und dem Arbeitgeber eine Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers zu ermöglichen, kann kein anderer Maßstab gelten.
Die Interessenabwägung dürfte aufgrund des rein präventiven Charakters einer Impfung und der starken Eingriffsqualität (Nadeleinstich und Injektion eines Stoffes in den Körper des Arbeitnehmers sowie gegebenenfalls Nebenwirkungen der Impfung) hier regelmäßig zugunsten der körperlichen Unversehrtheit des Arbeitnehmers ausfallen. Dem grundsätzlich legitimen
Zweck des Arbeitgebers, seine Belegschaft vor einer Masseninfektion zu schützen, wird zudem regelmäßig
auch durch ein milderes Mittel Rechnung getragen werden können, etwa durch die freiwillige Impfung größerer Teile der Belegschaft.

Fazit
Derzeit besteht somit keine P!icht für Arbeitnehmer, sich gegen Sars-CoV-2 impfen zu lassen. Arbeitgeber können ihrer Belegschaft gleichwohl eine Impfung nahelegen und diese mit „Impfprämien“ incentivieren und – etwa über den betriebsärztlichen Dienst – kostenfrei anbieten.
Verweigert ein Arbeitnehmer die (freiwillige) Impfung, kann die Verweigerung jedoch nicht Grundlage für arbeitsrechtliche
Konsequenzen, wie etwa eine Kündigung, sein. Sollte sich die Gesetzeslage ändern, etwa weil bei Bereitstellung eines Impfstoffes Ende des Jahres 2020 eine gesetzliche P!icht zur Impfung für bestimmte Arbeitnehmergruppen – analog zur Masernimpfung – in das Infektionsschutzgesetz eingeführt wird, wird dies anders zu beurteilen sein.


Quelle: Pauline Moritz, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei  Mayer Brown, Frankfurt am Main; 11.09.2020

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