Autor Thema: GmbH bei Ausfall oder Tod des Gesellschafters oder Geschäftsführers  (Gelesen 3007 mal)

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Handlungsfähigkeit der GmbH sichern

Wie sieht es in Ihrer GmbH aus, wenn der Geschäftsführer wegen schwerer Lungenschäden ins künstliche Koma versetzt werden muss?
Was ist, wenn der Mehrheitsgesellschafter nach kurzem und schwerem Verlauf verstirbt?
Die Covid-19-Pandemie führt uns einmal mehr vor Augen, dass jeder von uns plötzlich und unerwartet ausfallen kann. Bei dem betroffenen Menschen tritt ein, was für uns in gesunden Tagen undenkbar ist: totaler Verlust der Handlungsfähigkeit.
Wenn Sie sich lieber ein anderes Mal mit diesen sperrigen Fragen befassen wollen, dann geht es Ihnen wie der großen Mehrheit der unternehmerisch Tätigen. Wie akut der Handlungsbedarf tatsächlich ist, zeigen die folgenden Beispiele.

Ausfall des Geschäftsführers
Die Stellung als Geschä!sführer endet sofort und automatisch mit dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit.
Dasselbe gilt im Fall des Todes des Geschä!sführers. Das Geschäftsführeramt ist – anders als manche glauben– nicht vererblich. Die Gesellschaft  verliert in diesen Fällen also sofort und ohne Abwehrmöglichkeit ihr Vertretungsorgan. Selbst wenn der Geschä!sführer seine Geschäftsfähigkeit
später wiedererlangt oder er in seinem Testament angeordnet hat, dass eine bestimmte Person in die Geschäftsführung nachfolgen soll, muss eine Neubestellung durch die Gesellschafterversammlung erfolgen. Es gibt aber viele rechtliche und tatsächliche Gründe, warum sich eine Neubestellung
ganz erheblich verzögern kann.

Es ist daher für das Unternehmen sehr wichtig, dass andere Personen ausreichende Vertretungsbefugnisse haben, um in die Bresche springen zu können.
Die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers ist, rein rechtlich gesehen, die einfachste Lösung. Durch die Beschränkung der Vertretungsmacht des weiteren Geschäftsführers auf die gemeinschaftliche Vertretung mit einem Prokuristen kann als Sicherungsmaßnahme das Vieraugenprinzip etabliert werden. Für viele KMUs ist das aber aus wirtschaftlichen und unternehmenspolitischen Gründen keine Option – Geschäftsführer haben die Erwartung, auch wie solche behandelt und vergütet zu werden.
Es ist rechtlich möglich, einen weiteren Geschäftsführer „auf Vorrat“ unter der aufschiebenden Bedingung der Geschäftsunfähigkeit des primären
Geschäftsführers zu bestellen. In der Praxis ist aber oft nicht schnell und eindeutig feststellbar, wann die Geschäftsunfähigkeit einsetzt. Aus demselben Grund wird allgemein davon abgeraten, Vollmachten unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit zu stellen.
Es kann stattdessen mit einer weitgehenden, notariell beurkundeten oder zumindest schriftlichen Handlungsvollmacht zugunsten einer Person des
Vertrauens gearbeitet werden. Es ist aber ein vielfach unterschätztes Problem, dass solche Vollmachten nur dann praktisch brauchbar sind, wenn
sie von den Geschä!spartnern ohne weiteres akzeptiert werden. Insbesondere Banken tun sich bei bedeutenden Geschäften mit privatschriftlichen Vollmachten oftmals schwer, weswegen der schriftlich Bevollmächtigte zumindest bei der Hausbank eine gesonderte Bankvollmacht bekommen sollte.
Vollmachtsurkunden werden zum Problemfall, wenn ihre Rechtswirkungen vollständig beseitigt werden sollen. Es darf niemanden überraschen, wenn der ehemalige Bevollmächtigte nach der Entziehung
des Vertrauens behauptet, die Urkunde zu Beweiszwecken behalten zu dürfen oder dass er sie verloren habe.
Die Urkunde muss aber aus dem Verkehr gezogen werden, um künftige Missbräuche zu verhindern. Das kann langwierige Verfahren nach sich ziehen.
Oft ist daher die einfachste und beste Lösung, einen oder mehrere Prokuristen zu bestellen. Der Prokurist kann seine Vertretungsbefugnis mit einem Handelsregisterauszug nachweisen, der jederzeit elektronisch eingeholt werden kann. Dasselbe gilt für den Widerruf der Prokura. Wenn als Element der Kontrolle das Vieraugenprinzip gelten soll, dann können mehrere Prokuristen bestellt werden, die nur gesamtvertretungsberechtigt sind.
Das kann sich insbesondere dann anbieten, wenn die GmbH Beteiligungen an anderen Gesellschaften hält. Prokuristen können die Rechte aus solchen Beteiligungen ausüben, insbesondere das Stimmrecht in den Gesellschafterversammlungen von Tochtergesellschaften.

Ausfall eines Gesellschafters
Wird ein Gesellscha!er geschäftsunfähig, dann sieht das Gesetz die Bestellung eines Betreuers durch das zuständige Amtsgericht vor. Solche Verfahren sind langwierig und kostenintensiv.
Das Gericht muss zwingend ein Sachverständigengutachten einholen, in der Regel von einem Psychiater.
Bis zur Bestellung eines Betreuers können keine wirksamen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gefasst werden, weil keine wirksame Einberufung durchgeführt werden kann.
Das ist insbesondere dann fatal, wenn der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer ausgefallen ist und dringend ein neuer Geschäftsführer bestellt werden muss. Der Betreuer muss dem Betreuungsgericht regelmäßig berichten und gegenüber dem Gericht Rechnung legen. Für wichtige Entscheidungen kann eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich sein. Das bringt mit sich, dass Außenstehende wichtige Interna des Unternehmens erfahren und die Steuerung der Gesellschaft nicht mehr allein in den Händen der Gesellschafter liegt.
Dieses Szenario kann gar nicht dunkel genug beschrieben werden. Die Bestellung eines Betreuers sollte unbedingt vermieden werden.

Nach den Vorgaben des Gesetzes ist die Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich, sofern die geschäftsunfähige Person eine Vollmacht erteilt hat. In der Praxis werden dafür oft Pakete angeboten, in denen eine Generalvollmacht, eine Betreuungsverfügung und eine Patientenverfügung
zusammengefasst werden. Die Person Ihres Vertrauens für private Fragen (privates Vermögen, medizinische Behandlungen etc.) muss aber nicht dieselbe Person sein, der Sie die Ausübung Ihrer Gesellschafterrechte anvertrauen wollen. Insbesondere dann nicht, wenn der Ehepartner die privaten Dinge regeln, aber ein Kind in die unternehmerischen Fußstapfen treten soll. Darüber hinaus geht es Mitgesellschafter, Fremdgeschäftsführer und sonstige Dritte nichts an, welche Weisungen Sie Ihrem Bevollmächtigten für die Ausübung der Vollmacht gegeben und welche höchstpersönlichen Entscheidungen Sie in einer Patientenverfügung zu Gesundheitsfragen getroffen haben. Es kommt noch hinzu, dass nicht wenige Satzungen genaue Vorgaben machen, wer als Vertreter eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung zugelassen ist. Die Vollmacht muss harmonisch mit den Satzungsbestimmungen sein, was nicht selten übersehen wird.
Es ist daher oft am besten, mit mehreren separaten Urkunden für die verschiedenen Bereiche zu arbeiten. Dazu kann zum Beispiel der unternehmerische Bereich ausgeklammert und zum Gegenstand einer gesonderten Stimmrechtsvollmacht gemacht werden. Das funktioniert dann sehr gut, wenn die einzelnen Elemente „aus einem Guss“ aufeinander abgestimmt sind.

Viele moderne GmbH-Satzungen sehen vor, dass die Gesellschafter mit ihren Ehepartnern in einem Ehevertrag die Gütertrennung oder zumindest
eine modifizierte Zugewinngemeinschaft (Ausklammerung der Unternehmensbeteiligung bei der Zugewinnberechnung) vereinbaren müssen. Das wird gemacht, um die Gesellschaft vor einem übermäßigen Liquiditätsbedarf eines geschiedenen Gesellschafters zu schützen. Diese Satzungsklauseln sehen üblicherweise vor, dass die Geschä!sführung jederzeit von jedem Gesellschafter den Nachweis verlangen kann, dass er einen dahingehenden Ehevertrag abgeschlossen hat. Für den Fall des Verstoßes werden typischerweise scharfe Sanktionen wie die Zwangseinziehung vereinbart, damit die Gesellschafter ihrer Satzungsverpflichtung auch tatsächlich nachkommen. Ob man sich zum Wohl der Gesellschaft so weit in das Privatleben „hineinregieren“ lassen will, müssen die Gesellschafter für sich entscheiden. Es kann sich anbieten, in der Satzung nach demselben Modell die Verpflichtung zu verankern, dass jeder Gesellschafter einen Bevollmächtigten haben muss, dessen Vollmacht die Ausübung der Gesellschafterrechte deckt. Die evidenten Nachteile der Bestellung eines Betreuers für einen Gesellschafter sprechen für eine solche Gestaltung.

Handlungsunfähige Erbengemeinschaft
Geschäftsanteile an einer GmbH sind vererblich. Die Satzung der GmbH kann das nicht ausschließen. Die Geschäftsanteile eines verstorbenen Gesellschafters fallen daher immer in seinen Nachlass. Hat der Gesellschafter mehrere Erben, dann bilden diese zwingend eine Erbengemeinschaft. Ohne ein Testament tritt dieser Fall sehr häufig auf, insbesondere wenn ein überlebender Ehepartner und mindestens ein Kind vorhanden sind.
Die Rechte aus der Beteiligung können dann nur von allen Erben gemeinschaftlich ausgeübt werden, insbesondere die Stimmrechte. Besteht Streit oder Ungewissheit über die Erbfolge, dann schlägt das auf die GmbH durch. Es ist dann nicht klar, wer der richtige Adressat für die Gesellschaft ist und wer verbindliche Entscheidungen für den Nachlass treffen kann. Ein eindeutiges Testament kann den Angehörigen und dem Unternehmen hier viel ersparen.
Wir sehen in unserer Praxis aber sehr oft selbstverfasste Testamente, in denen die wichtigsten Vermögensgegenstände einzeln genannt und bestimmten Personen zugewiesen werden – ohne eindeutige Aussagen zur Erbfolge und zu Ersatzerben. Solche Testamente führen oft zu jahrelangen streitigen Auseinandersetzungen, die für das Unternehmen regelmäßig zu einer schweren Belastungsprobe werden. Das alles ist vermeidbar.
Wenn Sie einzelne Vermögensgegenstände verschiedenen Personen zuwenden wollen (zum Beispiel private Immobilien dem Ehepartner und Geschäftsanteile einem Kind, das Ihr designierter Nachfolger im Unternehmen ist), dann ist die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers oft eine wichtige flankierende Maßnahme. Testamentsvollstreckung klingt etwas angestaubt.
Tatsächlich ist es ein äußerst flexibles Instrument, mit dem sich viele potentielle Schwierigkeiten von vornherein vermeiden lassen. Der Testamentsvollstrecker verwaltet Ihren Nachlass und richtet sich dabei nur nach den Verfügungen in Ihrem Testament und den gesetzlichen Vorgaben.
Er ist nicht an Weisungen der Erben gebunden. Die Erben können ihm nicht kündigen. Er kann die Rechte aus Ihren Geschäftsanteilen ausüben und ist dabei streng an Ihre Vorgaben gebunden – nicht an die o! gegensätzlichen Vorstellungen zerstrittener Erben.
Er ist im übertragenen Sinne Ihr Dienstleister, der sicherstellt, dass Ihr letzter Wille nicht nur auf Papier steht, sondern Wirklichkeit wird.
Eine Lähmung der Erbengemeinschaft schlägt nicht auf das Unternehmen durch.


Quelle: Deutscher AnwaltSpiegel Spezial 2021/2022, November 2021; Autor: Sascha Unger, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)


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